2 Geschichte der Kunsterziehung in Deutschland

Zeichnen, Malen und Basteln in Kindertagesstätten und der spätere Zeichenunterricht und die Kunsterziehung an den Schulen prägen die Einstellung von Kindern und Jugendlichen zu kreativen Tätigkeiten, die ihnen in Jugendfreizeiteinrichtungen als Angebot zu Verfügung stehen. Deshalb soll im folgendem beschrieben werden, welchen geschichtlichen Hintergrund bildnerische und kunstpädagogische Erziehung in Deutschland hat.

2.1 Malen, Zeichnen und Basteln im Kindergarten

Im Folgenden werden zwei grundlegende Konzeptionen in der Arbeit mit Kindern beschrieben. Es gibt darüber hinaus noch andere Ansätze in der Landschaft der Kindergärten Deutschlands. In den beiden Einrichtungen, in denen ich in zurückliegender Zeit mit Kindern kreativ gearbeitet habe, wird sich vorwiegend an den Theorien von Friedrich Fröbel und Maria Montessori orientiert.

2.1.1 Friedrich Fröbel und dessen konzeptioneller Rahmen

Eine grundlegende Neugestaltung der Beschäftigung mit Kindern, die sich nicht am schulischen Vorbild orientierte und auf kleinkindliches Maß reduzierte Schulübungen als Inhalt der Arbeit ansah, gelang Friedrich Fröbel
(1781 - 1852). Fröbels Leistung lag in der Entwicklung einer Theorie der Kleinkindpädagogik, die unabhängig von der vorsekundären, standes- oder klassenpolitischen Zwecksetzung die Bildung des Menschen zum Thema hatte. Im Spiel des Kindes sah Fröbel das Fundament einer bildenden Auseinandersetzung mit der Welt und dem eigenen Ich gegeben. Fröbel widmete sich auch dem Zusammenhang von Phantasie und Kunsterziehung: „Der im künstlerischen Handeln wirkenden Phantasie liegen zwar einfache allgemeine Denk- und Lebgesetze zugrunde, deren Wirksamkeit oder Übertragung sich bei der Hervorbringung von Kunstwerken aus der Phantasie allerdings gar nicht nachzuweisen, sondern nur zu ahnen sind“.(F.Fröbel In: Schmutzler, 1991)

Fröbel möchte mit seiner umfassenden Grundbildung der Phantasie der Kinder Wege zum künstlerischem Ausdruck erschließen. Daher gehörte nach Fröbel auch die Begegnung mit der Kunst zur Phantasieerziehung, denn: „Aus den Kunstwerken können Denk- und Empfindungsvermögen und Gesetze des Menschen überhaupt, sowie der Ausbildungsgrad derselben bei jedem einzelnen schaffenden Menschen von dem strengen, scharfen Blick erkannt werden“(F.Fröbel In: Schmutzler,1991) d.h. durch die Kunstbegegnung und die Auseinandersetzung mit ihr kann und soll das Kind seinen eigenen künstlerischen Sinn entwickeln können.
Nach Fröbel ist also die Hinführung zur Kunst und zur künstlerischen Tätigkeit bedingt durch die Bildung der Phantasie und Ausdrucksbildung. Dazu gehört eine entwicklungsgemäße Begegnung mit der Kunst und ausgewählten Kunstwerken. Ob sich aber damit schon notwendiger Weise ein Künstler entwickelt, bleibt nach Fröbel offen.

Fröbel gründete 1840 im thüringischen Blankenburg den Allgemeinen deutschen Kindergarten. Damit wollte er neue Akzente setzen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts haben insbesondere Schülerinnen von Fröbel über Veröffentlichungen und Gründungen von Fördervereinen zur Verbreitung der Kindergärten beigetragen.
Größere Bedeutung erlangten dabei Berta von Marenholz-Bülow (1811 - 1893) und Henriette Schrader-Breymann (1827 - 1899), die die Konzeption des Fröbelschen Kindergartens weiterentwickelten und mit dem Konzept des „Volkskindergartens“ auch praktisch umsetzten.

Bei der Konzeption von Berta von Marenholz - Bülow standen insbesondere die Spielgaben Fröbels im Mittelpunkt, diese waren jedoch aus den von Fröbel konzipierten Zusammenhang herausgelöst und wurden dadurch oft nur rein mechanisch eingesetzt. Ein anderer Schwerpunkt war die Erziehung zur Arbeit, mit dem Ziel der Herausbildung von Arbeitstugenden wie Ordnung und Sauberkeit, Arbeitsgeschick und Arbeitsdisziplin. Die von Fröbel stark betonte Selbständigkeit fand hier keinen Platz mehr.

Henriette Schrader - Breymann stellte in ihrem Konzept des Volkskindergartens, eine an hauswirtschaftliche Tätigkeiten orientierte Arbeitserziehung in den Mittelpunkt. Ergänzend zum Arbeitsunterricht wurden die schöpferischen Kräfte des Kindes in selbständiger Arbeit mit verschiedenen Materialien wie Bausteinen, Papier, Ton u.ä. entfaltet.

Während das Konzept von Marenholz - Bülow deutlich die auf den Arbeitsmarkt gefragte zukünftige Arbeitsfähigkeit des lohnabhängigen Arbeitens in der Kindergartenarbeit berücksichtigte, strebte Schrader - Breymann eher eine Verknüpfung der Erfahrungen der Kinder in ihrem häuslichen Umfeld mit einer breiteren Qualifikation für die Bewältigung späterer Lebenssituationen an.

Weitere praktische Akzente im Verlauf der Kindergartenentwicklung wurden durch das 1873 gegründete Pestalozzi - Fröbel - Haus in Berlin gesetzt. Als Spielmittel wurden dort den Kindern möglichst einfache, leicht umzugestaltende und vielfältig verwendbare Dinge gegeben. Häufig ging es darum, die Spielmittel selbst herzustellen z.B. die einfache Puppenstube aus kostenlosen Materialien. Auffallend war der teilweise sehr freie Umgang mit Fröbelmaterial, wie z.B. der Gebrauch der Tafel zum freien Malen und der Klötze zur freien Konstruktion. Als Grundsätze bei Spiel und Beschäftigung galten:
„Alle Kinder müssen beschäftigt sein und ihrer körperlichen und geistigen Kräfte üben. Das Ergebnis der Arbeit sollte gewertet werden, entweder durch Aufbewahrung in einer Mappe, die dem Kinde zu Ende der Kindergartenzeit mitgegeben wird, oder durch Aufstellen und Auslegen der Arbeiten im Gruppenraum. Niemals sollte am Ende einer Beschäftigung das Ergebnis sinnlos zerstört werden. Wichtig war neben dem Lob und der Beachtung der (Beschäftigungs-) Arbeit auch das Spiel mit den gefertigten dingen sowie das Gespräch mit dem Kind über sein Werk!“ (Vergl.: Schmutzler, Fröbel und Montessori, Freiburg,1991, Seite 20)

2.1.2. Kreativität und Kunsterziehung bei Maria Montessori

In Maria Montessoris (1870 - 1952) Theorien steckt ein großer Teil dessen, was sich für diese Diplomarbeit an wichtigen Grundlagen für die Entwicklung der Kreativität von Kindern ergibt.
Montessori sah in der Phantasie ein Hauptfaktor des menschlichen Geistes. Der Phantasie spricht sie eine konstruktive Fähigkeit zu : „Wir können keine Entdeckungen machen, ohne das wir uns zuerst vorstellen können, was wir suchen “(Vergl.: Schmutzler, Fröbel und Montessori, Freiburg, 1991, S. 155). Der ganze Intellekt arbeitet in der Art der dieser Einstellungskraft. Alle Entdeckungen sind Früchte der Einstellungskraft des Menschen. Einbildungskraft ist die wirkliche Substanz unseres Geistes. Phantasiebildung ist bei Montessori zunächst auf indirekten Wege möglich durch die Bildung der Wahrnehmung bzw. der Sinnesschulung und durch die Entwicklung der Motorik, vor allem der Hände. So kann das Kind fähiger werden zur ästhetischen Wahrnehmung und schafft es sich über eine funktionierende Motorik auch die Möglichkeit der Umsetzung bzw. Darstellung seiner Vorstellungen in Zeichnungen u.a. Gestaltungen. Dazu gehört auch die Erfahrung und Übung mit verschiedenen Materialien wie Knete, Papier, Sand und Fingerfarben. Übung der Wahrnehmung und Motorik, Erfahrungen mit verschiedenen Materialien und ihren Eigengesetzlichkeiten und Techniken sind also indirekte Mittel, der Phantasiebildung für eventuelle spätere künstlerische Ausdrucksformen.
Das Kind nach Montessori „zum künstlerischen Ausdruck führen, ist ein langer, voraussetzungsreicher Weg, denn das Ziel kann nur erreicht werden, durch die Entwicklung der Mechanismen, also der Wahrnehmung und Darstellung und durch die Freiheit des Geistes“(Vergl. Schmutzler, 1991, S. 165 )

In den folgenden Punkten trägt die Erziehung nach Montessori der Phantasiebildung im Sinn der modernen Kreativitätsforschung bei:
Das Prinzip der freien Wahl begünstigt Initiative und Neugier, Entscheidungsverhalten, Beobachtungs- und Entdeckungsmöglichkeiten. Die Individualisierung begünstigt das Lösen selbstgewählter Aufgaben, ist motivationsteigernd, führt zu selbstbelohnenden Lernprozessen (Selbstkontrolle) und fördert die Problemlösungsbereitschaft sowie Ausdauer. Weiter vermindert Individualisierung kreativitätsfeindlichen Konformitätsdruck.

Der besondere, durch die pädagogische Zurückhaltung bestimmte Erziehungsstil Montessoris begünstigt Selbständigkeit, Improvisation und Probierverhalten, die nur durch die Sachgesetzlichkeiten des Materials und durch Regeln des Zusammenlebens und nicht durch eine erdrückende Autorität bestimmt sind.
Selbstgesteuerte Lernprozesse und die relative Zeitfreiheit vermindern fremdbestimmten Leistungsdruck, Sekundärmotivationen und reine Erfolgsorientierung, die als Hemmnisse der Kreativität gelten.
Nicht zuletzt ist die systematische Ermöglichung der Polarisation der Aufmerksamkeit als zentrale Voraussetzung für kreatives Handeln und Problemlösen, denn ohne Konzentrationsfähigkeit können Probleme weder geistig erfaßt, bewußt untersucht, methodisch bewußt verarbeitet und gelöst werden.
Auf die entscheidenden Bedingungen für die Phantasiebildung hat Montesorri wiederholt hingewiesen: „Geübte Sinne, eine Hand, die gehorcht, eine Seele die fühlt, die Freiheit des Geistes und das Vertrauen in die Aktivität des Kindes, denn ein Kind sucht nach Möglichkeiten des Ausdrucks... keine Sprache ist reich genug, den sich ergießenden Leben Ausdruck zu verleihen“. (Vergl.: Schmutzler, 1991, S.157)

Zur Praxis der Kunsterziehung sei hier P. Drücke zitiert, Montessori- Pädagoge und Kunsterzieher, dessen Gedanken zur Kunsterziehung an den Schulen und zum Thema weiterführen:
„Nicht auf den Nachvollzug einer schon vorhandenen Problemlösung, einer vorgegebenen bildnerischen Gestaltung kommt es an, sondern auf Kreation. Aus der unabdingbaren Forderung nach der Eigenständigkeit der kindlichen Äußerung, nach ihrer Kreativität, darf man nicht folgern, daß Unterricht zu unterbleiben habe.
Im Gegenteil: die spontan hervorbrechende bildnerische Kreativität des kleinen Kindes muß sorgfältig kultiviert werden, damit sie sich so entfaltet, daß sie sich späterhin den Anspruch des Heranwachsenden und Erwachsenen genügt. Daß viele Jugendliche unfähig zu einem ihren sonstigen geistigen Niveau entsprechenden bildnerischen Ausdruck sind, liegt nicht etwa am Übermaß, sondern am Mangel angemessener bildnerischer Unterrichtung. Hierüber sollte sich niemand täuschen“. (Vergl.: Schmutzler 1991, S. 158 )

2.2 Geschichte des Zeichenunterrichts und der Kunsterziehung in Deutschland

Zeichenunterricht und Kunsterziehung an deutschen Schulen war bis in das 18.Jahrhundert hinein nicht Gegenstand des Schulunterrichts. Der erste, der sich für den didaktischen Wert von Bildern aussprach, war J.A.Comenius (in: „Orbis Sensualium Pictus“ 1658). Als Bestandteil des Unterrichts wurde das Zeichnen zum ersten Mal in dem am 1774 von J.B. Basedow in Dessau gegründeten Gymnasium eingesetzt. Er gliederte den Zeichenunterricht folgender Maßen:
 Vorzeigen von Kupferstichen und Gemälden
 Vergleichen von Natur und Bild
 Übung des Augenmaßes und der Hand.
Wie für Basedow und andere Pädagogen des 18. Jahrhunderts war auch für J.H. Pestalozzi (1746-1827) das Zeichnen ein wesentlicher Bestandteil zur Allgemeinbildung. Pestalozzis Vorstellungen blieben das ganze Jahrhundert hindurch für die Zielsetzung und die Inhalte des Zeichenunterrichts in Deutschland maßgebend.

Der Zeichenunterricht an den allgemeinbildenden Schulen im 19. Jahrhundert war nur zum Teil obligatorisch. In München wurde Zeichnen 1871 zum Pflichtfach.
Ramsauer (Zeichnungslehre, 1821), ein Schüler Pestalozzis, verteilte den Stoff im Zeichenunterricht auf 3 Jahre. Der Umgang mit Farbe blieb im Zeichenunterricht so gut wie ausgeschlossen.

1872 wurde das Zeichnen in der Volksschule des damaligen Preußens als Pflichtfach eingeführt. Der Hamburger Schulrat A. Stulmann wurde beauftragt, den Lehrplan zu erstellen. Nach seinen Vorstellungen begann das Zeichnen mit zweimal einer halben Stunde pro Woche in der 2. Volksschulklasse. Von der 3. Klasse ab wurde es mit 2 Wochenstunden unterrichtet. Zu unrecht wirft man dem Zeichenunterricht des 19. Jahrhunderts vor, er habe keinen Bezug zur Kunst herstellen wollen. Schon Pestalozzi hatte geglaubt, das der von ihm geplante Zeichenunterricht die „Kunstkräfte“ des Menschen wecke und bilde. Ungewöhnlich zu seiner Zeit (1782-1852) war die Auffassung, den Sinn des Zeichnens nicht im Abbilden äußerer Wirklichkeit zu sehen, sondern das Kind soll vielmehr zeichnen und malen, um das innere Erleben sichtbar zu machen und um seine schöpferischen Kräfte zu üben.

Nach der Gründung des dt. Kaiserreiches 1871 nahmen Technik, Industrie und Handel einen beschleunigten Aufschwung. In der Malerei herrschte jedoch die pathetische und rührselige Darstellungweise vor. Erste Ansätze zur Veränderung des Zeichenunterrichts schuf der Zeichenlehrer Fedor Flinzer, indem er Bildung des Schönheitssinnes, Erziehung zur Selbständigkeit und zur schöpferischen Tätigkeit forderte.

1889 erschien das aufsehenerregende Buch “Rembrandt als Erzieher, von einem Deutschen“, indem J. Langbehn heftigste Kritik an den Zustand der deutschen Kultur übt. (Vergl.: Eid/ Langer/ Ruprecht, Paderborn, 2002, S.106)
1893 fordert Lange in seinem Buch “Die künstlerische Erziehung der deutschen Jugend“ als Voraussetzung für einen Wiederaufstieg deutscher Kultur die Heranbildung eines sensiblen Kulturpublikums in . Hauptziel ist nach Lange die Herausbildung der Fähigkeit zum ästhetischen Genuß.
(Lange, In: Eid/ Lange / Ruprecht, Paderborn, 2002,S.106)

Einen anderen Ansatz bot der Leiter der Hamburger Kunsthalle A. Lichtwark, der seit 1888 Schulklassen in die Kunsthalle führen ließ und ihnen die Bilder und Skulpturen im Gespräch erklärte. Bildende Kunst wurde zum pädagogischen Inhalt.

1897 stellte man in Hamburg Kinderzeichnungen unter den Motto “Das Kind als Künstler“ das erste mal öffentlich aus. Die kunsterzieherischen Bestrebungen fanden ein immer breiteres Echo. 1901 fand in Dresden der erste Kunsterziehertag statt, dessen Thema die Funktion der bildenden Kunst als Inhalt der Erziehung bildete.

Zum Durchbruch kamen die Reformideen für die Kunsterziehung erst in den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts.
In Preußen wurde die Forderung des Philosophen E. Spranger nach einer „Menschenbildung“, die ebenso wichtig sei wie die wissenschaftliche und die technische Ausbildung, in der Schulpraxis umgesetzt. Unter den Eindruck des Expressionismus interessierte man sich besonders für die Ausdrucksqualität der Kinderzeichnung. G.F.Hartlaub interpretierte sie in seinem Buch“ Genius des Kindes „ (1921) als Ausdruck des noch ganz in der Natur stehenden Kindes. Nach seiner Auffassung ist die Aufgabe der Kunsterziehung, die bildnerischen - schöpferischen Anlagen eines Kindes nicht nur zu wecken und zu entwickeln, sondern auch auf die Stufe des Erwachsenseins hinüber zu retten. (Vergl.: Eid/ Langer/ Ruprecht, Paderborn, 2002, S.108)
Großen Einfluß auf die junge Kunsterziehung hatte die „ Theorie der bildenden Kunst“ von G.Britsch ( gest. 1923). Nach seiner Auffassung besteht die Leistung des bildenden Künstlers in der geistigen Verarbeitung von „ Gesichtssinneserlebnissen“.
Gegen 1930 war der Zeichenunterricht an den deutschen Schulen im Großen und Ganzen von den kunsterzieherischen Intentionen neu geprägt. Im Mittelpunkt stand das freie, der Entwicklungsstufe gemäße zeichnerische und farbige Gestalten. Neue Gestaltungstechniken (z.B. Linolschnitt) wurden angeboten und motivierten zusätzlich. Auch im Werkunterricht setzten sich die kunsterzieherischen Tendenzen durch. Werken wurde zu einem Teil der Kunsterziehung.

In der Zeit des Nationalsozialismus’ richtete sich die Kunsterziehung auf deren weltanschaulichen Prinzipien aus. Trotz der naturalistischen und zum Teil idealistischen Qualität der von den den Nazis geförderten Kunst blieb im Kunsterziehungsunterricht der Primar- und zum Teil auch der Sekundarstufe das freie Gestalten der Kinder und Jugendlichen erlaubt. Lediglich die thematischen Vorgaben folgten den Weisungen der politischen Propaganda.

2.3 Die Kunsterziehung nach dem 2. Weltkrieg

Die heute unterrichtete Kunstpädagogik hat sich nach dem 2. Weltkrieg rasant verändert. Als Ergebnis des Kriegsausganges und der damit verbundenen Teilung Deutschlands, etablierten sich zwei unterschiedliche politische Gesellschaften, die auch vierzig Jahre lang zwei unterschiedlichen bildungspolitische Ziele verfolgten. Welche Auswirkungen dies speziell auf die Kunstpädagogik an den Schulen hatte soll nachfolgend aufgezeigt werden.

2.3.1 Kunstpädagogik in der BRD

Unter dem Eindruck der katastrophalen Ereignissen des 2. Weltkrieges wurde für das neue Bildungssystem der BRD neben den Auftrag der Wissensvermittlung, wieder der Bildungsauftrag betont. Die Kunsterziehung leistete dazu einen entscheidenden Beitrag und erlebte in der Zeit nach dem Kriege eine neue Blüte. Reformtendenzen im Schulwesen seit Beginn der sechziger Jahre wirkten sich auch auf die Kunstpädagogik aus.
1959 erschien R. Pfennigs „Bildende Kunst der Gegenwart, Analyse und Methode“. Er machte die Gestaltungsprinzipien der gegenwärtigen bildenden Kunst zum hauptsächlichen Inhalt kunstpädagogischen Unterrichts. Darin heißt es: „ Die Kunstpädagogik kann nur die bildnerische Ordnung als objektive Komponente des Werkes erfassen. Ihr Ziel ist nicht mehr die Erziehung durch Kunst, sondern zur Kunst“. Seine Theorie wird dann vor allem von G. Otto weitergeführt (G. Otto ,,Kunst als Prozeß im Unterricht“, Braunschweig, 1969 ). Wie Pfennig will er möglichst nur rational erfassbare Qualitäten bildender Kunst in den Kunstunterricht einbringen. Durch diese Strukturierung werden die Inhalte lehrbar und die Ergebnisse kontrollierbar. Dem Gefühl des Gefallens oder Mißfallens, das bei der Betrachtung eines Kunstwerkes entsteht, muß die rationale Analyse zugeordnet werden. Produktion und Reflexion sind im Kunstunterricht gleichberechtigte Inhalte. Diese Bemühungen, trotz teilweise differierender kunstdidaktischer Tendenzen die Einheit des Faches aufrechtzuerhalten, führten etwa seit Mitte der siebziger Jahre zur Einigung auf die übergreifende Fachbezeichnung „ästhetische Erziehung“.
In diesem Begriff ist die gemeinsame Zielsetzung nämlich die Fähigkeit zum Verstehen und Herstellen bildhaft strukturierter und visuell, taktil wahrnehmbarer Gegenstände enthalten.
Die Veränderung in der Kunstpädagogik der siebziger Jahre faßte
H. Hartwig (1976) in dem Postulat zusammen, daß es die besondere Aufgabe des Kunstunterrichtes sei „richtiges Sehen zu lehren“, womit er auch für die Ausweitung der Kunstpädagogik auf alles visuell Wahrnehmbare plädiert.( H.Hartwig In: Eid/ Langer/ Ruprecht, Paderborn, 2002, S.116)

In den darauffolgenden Jahren wurden die kunstpädagogischen Theorien durch andere Impulse erweitert: u.a.:
 Spiel und Aktion
 Kunstunterricht und Ökologie.

Der gegenwärtige kunstpädagogische Unterricht in der Bundesrepublik ist eine Mischform aus Kunstunterricht, Kunsterziehung, visueller Kommunikation und Spielaktion.

2.3.2 Kunstpädagogik in der DDR

Obwohl die kunstpädagogischen Bestrebungen in der Erziehung der DDR eine eigene ausführliche Betrachtung wert wären, kann sich hier diesem Thema nur unvollkommen gewidmet werden. Es spricht für sich, dass entsprechende Literatur nur in den Archiven größerer Bibliotheken zu finden ist. Dies ist sicherlich im Zusammenhang damit zusehen, das die Menschen in den neuen Bundesländern ihre Geschichte insgesamt „wie eine alte Hose“ abgelegt haben.
Für die jetzige Auseinandersetzung in der Kinder - und Jugendarbeit wäre jedoch kritisch zu überprüfen, warum die hier Heranwachsenden vieles aus der Zeit der DDR idealisieren.

Die Situation und das Dilemma der Kunsterzieher, der ehemaligen DDR nach 1989 beschreibt A. Tischer so: Das Kind als Persönlichkeit zu begreifen, seine Initiative zu bestätigen , Individuelles entwickeln, diese Anforderungen sind uns Lehrern der ehemaligen DDR nicht fremd. Wer diese Forderungen ernst nehmen wollte, geriet jedoch zunehmend mit einem anderen Grundsatz, der führenden Rolle des Lehrers in Konflikt, denn er hätte Verantwortung für den Lernerfolg abgeben müssen, wo ihm per Auftrag alle Verantwortung übertragen worden war. Und so müssen so viele von uns neu lernen, am Anfang eines Unterrichtsvorhabens, noch nicht genau zu wissen, was am Ende herauskommen wird, sich überraschen zu lassen, was die Schüler einbringen und was man daraus gemeinsam machen könnte. Die Weltsicht und Wirklichkeitserfahrung der Schüler unterscheiden sich von den unseren, doch wo steht geschrieben, das im Unterricht nur der Schüler sich verändert. (A. Tischer, 1991, S. 9 ).

Weltsicht und Wirklichkeitserfahrung hatte sich auch in den vierzig Jahren der offiziellen DDR-Kunst einseitig entwickelt. In der Selbstdarstellung sprach man von der „ Herausbildung der sozialistischen Weltkunst“ einerseits und dem gegenüber von dem „Verfallsprozeß der Kunst in den imperialistischen Ländern“ andererseits. Die bildende Kunst in der DDR (nach dem Kriege) sollte nach dem Willen der Regierenden eine „ volksverbundene, parteiliche und demokratische Kunst “ sein.
( Vergl.: Kunstbetrachtung, Berlin, 1980, S.56)
Die ersten „ Galionsfiguren“ dieser neuen fortschrittlichen deutschen Kultur waren: Lea und Hans Grundig, Fritz Cremer, Hans Womacka u.a.
( Vergl.: Kunstbetrachtung, Berlin, 1980, S. 80)
Deren Gemälde und Plastiken schmückten (dann auch) alle Schulbücher für Kunsterziehung oder Literatur. Die Auseinandersetzung mit den Bildinhalten wurde der Stoff von unzähligen Aufsätzen und Bildbeschreibungen.

Kunst und Kunstpädagogik waren auch des öfteren Thema der von der SED formulierten, ideologischen Ziele zu deren Parteitagen.
Im Klartext liest sich es sich dann so :„ Mit dem V I. Parteitag der SED beschlossenen umfassenden Aufbau des Sozialismus und der beginnenden Meisterung der industriell - technischen Revolution änderte sich auch sich auch die Stellung des Arbeiters im Produktionsprozeß.
Damit bahnten sich aber auch Veränderungen im künstlerischen Leitbild der Arbeiterpersönlichkeit an. Von nun an war nicht mehr der sich körperlich einsetzende Werktätige alleiniges Vorbild, sondern mehr und mehr kam es darauf an zu zeigen, wie die Mechanisierung und vor allem die Automatisierung ganzer Produktionsprozesse die Verantwortung derjenigen verändert und erhöht, der sie lenkt und leitet.“ (Vergl.: Kunstbetrachtung, Berlin, 1980, S. 219).
Das Drängen auf neue (sozialistische) Bildformen und die ideologischen Maximen der SED Partei bewirkten, daß in zunehmenden Maße die künstlerische Freiheit beschnitten wurde und eine „offizielle“ und ab Ende der siebziger Jahre eine „inoffizielle“ Kunst und Kunstszene entstand. Denn die Grundsätze des sozialistischen - realistischen Kunstschaffens lauteten: „ein fester sozialistischer Standpunkt, Parteilichkeit, Lebensnähe und Volksverbundenheit“ (Vergl.: Kunstbetrachtung, Berlin, 1980, S.227)
Es liegt auf der Hand, das sich dies in der Kunstpädagogik niederschlagen mußte.

Die nach und nach lauter werdenden, kritischen Stimmen (einer solchen Kunstauffassung) wurden aus der offiziellen Kunstlandschaft und später ganz außer Landes verbannt. Eine Chance, andere künstlerische Sichtweisen zu erleben und selbst zu entwickeln, boten seit Anfang der achtziger Jahre die „ minikosmischen Kunstszenen“ in den größeren Städten der DDR. Mit Hilfe kirchlicher Unterstützung oder durch den zunehmenden Einfluß von Medien aus der BRD wurden Feste und Kirchenveranstaltungen teilweise zu „Kunst-Events“, bei denen für die Kunst so wichtige neue Experimentierfelder entstanden sind. Kunst und Aktionen fanden meist nur dort statt, und der Betrachter wurde auf eine Vielzahl neuer, künstlerischer Ausdrucksformen und deren westliche Protagonisten aufmerksam gemacht.

In der offiziellen Kulturpolitik und in Kunsterziehung wurde weiter auf die bekannten Vorbilder verwiesen. Bei den großen „Kunstausstellungen“ der DDR waren dann auch vorrangig die Werke von Matthäuer, Tübke und Heisig und deren Schüler zu sehen. Die „allseitig gebildete sozialistische Persönlichkeit“, das Ziel der DDR Pädagogik wurde nur selten mit anderen Strömungen in der modernen Kunst konfrontiert, es sei denn, man konnte in ihr eine politische Nähe zur dem hiesigen System herleiten. Im anderen Falle sollte die Kinder und Jugendlichen eher von den schädigenden Einflüssen des kapitalistischen Kunstmarktes geschützt werden.

Das was „geblieben“ ist, von der speziellen DDR - Kunsterziehung; hat unter raschen Wandel der Gesellschaft und deren Werte keinen Bestand mehr.
Was die DDR - Kunst und deren Protagonisten betrifft, ist es nicht verwunderlich, das viele einstmals gefeierte DDR - Künstler durch zu viele Kompromisse an ihre Auftraggeber, nach der „Wende“ in die Kritik geraden sind. Der Vergleich mit der Kunst im „Dritten Reich“ ist nicht berechtigt, aber die unkritische Haltung einiger der gefeierten DDR - Künstler gegenüber dem „System“, ist durchaus ähnlich zu bewerten. Eine Verklärung der strikten Abschirmung der Menschen in der ehemaligen DDR (z.B.: von künstlerischen Strömungen der „restlichen“ Welt)gar, ist völlig unverständlich. Der nach Verklärung sich sehnende (junge) Mensch, würde auch irgendwann einmal mit dem Kopf gegen die Wand laufen, wenn er sich tagtäglich die (so typischen) „DDR - Standpunktsparolen“ anhören müßte, ohne sie einfach abschalten zu können.
Als ehemaliger Schüler des DDR - Schulsystems (1962 -1972) und nach der Beschäftigung und kritischer Aufarbeitung bestimmter Probleme der Schulpolitik der ehemaligen DDR, möchte ich noch hinzufügen.:
Im Schulalltag der DDR wurde Kreativität und Kunst nicht sonderlich gewichtet. Wenn Zeichenlehrer ausfielen, wurde dieses Fach auch in der entsprechenden Zeit nicht gelehrt. Die Form und Methode des Unterrichts war stark von der Persönlichkeit des Lehrer geprägt. Ältere Lehrer zum Beispiel bezogen oft Kunstbetrachtung, Gespräche und manchmal auch das Spiel in den Unterricht mit ein. Die jüngeren Lehrerinnen orientierten eher an das Alltagserleben z.B. in einer sozialistischen Großstadt und es gab auch solche Tendenzen, daß auf einem „richtigen“ Landschaftsbild wenigstens ein Schornstein oder Stromleitungsmast zu sehen sein mußten (damit sollte symbolisch auf die schöpferische Kraft der Werktätigen in der Landschaft des sozialistischen Staates hingewiesen werden).
Ebenfalls ist mir noch lebhaft in Erinnerung, das im Zeichnen das exakte Konstruieren von Kränen besonders gut benotet wurde.
Einen tieferen Eindruck hatte der Zeichenunterricht der Schulzeit jedoch nicht hinterlassen was mich aber auch nicht daran hinderte, als 18-jähriger einen eigenen, künstlerischen Ausdruck zu suchen. Kunst muß sich letztendlich immer an den großen Fragen der Menschheit messen lassen, wie Schöpfung, Leben und Tod, Wut, Trauer, Stolz und Niederlage; unabhängig von, oder gerade auch im Widerstreit mit der offiziellen, gesellschaftlichen und politischen Meinung.
Kunstpädagogik sollte dazu befähigen, auf dem Weg zum Erwachsensein die entsprechenden (künstlerischen) Fragen zu stellen, ohne vornweg einschränkend zu definieren, wie denn die Antwort aussehen soll. Beim Prozeß der Selbsterkenntnis (durch kreatives Gestalten) dient es eher, dem jungen Menschen zu helfen, alle von ihm benötigten Voraussetzungen zu schaffen, als durch „ Diktat“ auf berechenbares und zensierbares, künstlerischen Produkt zu kommen.

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